Ein Blogbeitrag für alle, die sich mehr trauen wollen
Es gibt Geschichten, die dir immer wieder begegnen. Sie werden so oft erzählt, dass sie wie Wahrheiten klingen. Etwa: „90 Prozent aller neuen Restaurants schließen im ersten Jahr.“ Oder: „70 Prozent aller Veränderungsprojekte scheitern.“ Und: „Die meisten Start-ups gehen pleite.“
Du nickst, als wüsstest du es längst. Diese Zahlen bestätigen deine schlimmsten Befürchtungen. Sie geben dir einen Grund, es lieber gar nicht erst zu versuchen. Doch was, wenn die Zahlen gar nicht stimmen?
Die Macht der falschen Zahlen
Stell dir vor, du sitzt beim Abendessen mit Freunden. Jemand erzählt von seinem Traum, ein kleines Café zu eröffnen. Sofort meldet sich die Stimme der Vernunft: „Weißt du nicht, dass 90 Prozent aller Restaurants im ersten Jahr scheitern?“ Der Traum verblasst zwischen Hauptgang und Dessert.
Aber diese 90-Prozent-Zahl ist ein Mythos. Eine Studie von zwei Ökonomen der University of California, Berkeley, aus dem Jahr 2014 zeigt: Nur etwa 17 Prozent der eigenständigen Vollservice-Restaurants in den USA schließen im ersten Jahr (Quelle: “The Illusion of Failure: Evidence from Restaurant Closures” von Hwajung Choi und Martin Lettau, 2014). Die Wahrheit ist weniger dramatisch – und vor allem weniger lähmend.
Woher kommen diese falschen Zahlen? Sie entstehen wie Legenden. Einer behauptet etwas, ein anderer zitiert es, ein Dritter macht eine Studie daraus – und schon steht dieselbe Zahl in jedem Businessplan. So ist es auch mit der berüchtigten 70-Prozent-Scheitern-Rate bei Veränderungsprojekten. Diese Zahl ist in wissenschaftlichen Studien nicht belegt, wird aber immer wieder unkritisch übernommen (Quelle: Harvard Business Review, “Why Most Change Programs Fail—and How to Make Yours Succeed”, 2017).
Warum wir schlechte Nachrichten sammeln
Wir Menschen haben eine seltsame Beziehung zum Scheitern anderer. Wir sammeln Horrorgeschichten wie andere Briefmarken. „Hast du gehört, dass Müllers Laden dichtgemacht hat?“ „Ich hab’s ja gleich gesagt.“
Das gibt uns ein Gefühl der Überlegenheit – und gleichzeitig eine Entschuldigung für unsere eigene Untätigkeit.
Psychologen nennen das den Negativitätsbias. Schlechte Nachrichten brennen sich tiefer ins Gedächtnis ein als gute. Eine gescheiterte Unternehmensgründung bleibt uns länger im Kopf als zehn erfolgreiche. So entsteht ein verzerrtes Bild der Realität.
Dazu kommt: Wer nicht scheitert, macht meist keine Schlagzeilen. Der Bäcker um die Ecke, der seit zwanzig Jahren erfolgreich Brötchen verkauft, interessiert niemanden. Der Tech-Unternehmer, der mit seinem fünften Start-up Konkurs anmeldet, schon eher.
Die anderen Geschichten
Es gibt aber auch andere Geschichten. Da ist Maria, die vor drei Jahren ihr kleines Designstudio eröffnet hat. Kein spektakulärer Erfolg, kein dramatisches Scheitern. Sie arbeitet hart, hat treue Kunden, zahlt ihre Rechnungen. Eine gewöhnliche Erfolgsgeschichte, die niemand erzählt.
Oder Thomas, der nach zwei gescheiterten Versuchen endlich sein Restaurant zum Laufen gebracht hat. Nicht, weil Scheitern automatisch zu Erfolg führt – das ist ein weiterer Mythos – sondern weil er gelernt hat, welche Fehler er nicht noch einmal machen will.
Die Wahrheit über das Scheitern
Die Realität ist komplexer und weniger spektakulär als die Mythen. Laut der National Restaurant Association liegt die Scheitern-Rate in der US-amerikanischen Restaurant-Branche bei etwa 30 Prozent im ersten Jahr (Quelle: National Restaurant Association, “Restaurant Success Factors”, 2019). Das ist weit entfernt von den Horror-Szenarien, die wir uns erzählen.
Ja, viele Projekte scheitern. Ja, Unternehmertum ist riskant. Ja, Veränderung ist schwierig. Aber die Zahlen sind nicht so erschreckend, wie wir denken. Und vor allem: Sie sagen nichts über dein spezielles Vorhaben aus.
Was das für dich bedeutet
Wenn du das nächste Mal eine dieser Scheitern-Geschichten hörst, frag nach: Woher kommt diese Zahl? Ist sie belegt? Und selbst wenn sie stimmt – was bedeutet sie für dich?
Denn am Ende entscheidet nicht die Statistik über deinen Erfolg. Es entscheiden deine Vorbereitung, deine Ausdauer, dein Glück, deine Umstände. Die Zahlen anderer können dir Orientierung geben, aber sie dürfen nicht dein Urteil fällen.
Die größte Lüge über das Scheitern ist nicht, dass es häufiger passiert als gedacht. Die größte Lüge ist, dass wir es kontrollieren können, indem wir gar nicht erst anfangen.
Vielleicht ist es Zeit, aufzuhören, Geschichten über das Scheitern anderer zu sammeln. Vielleicht ist es Zeit, deine eigene Geschichte zu schreiben. Auch wenn du nicht weißt, wie sie ausgeht.
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