Wir alle führen täglich Hunderte inne­rer Dialoge.

Ein großer Teil davon bleibt unbe­wusst und genau dort entfal­ten Gedan­ken ihre größte Wirkung: Sie färben, was wir sehen, wie wir fühlen und was wir uns zutrauen.

Der Haken: Gedan­ken sind keine Fakten. Häufig sind sie gelernte Deutun­gen, die sich durch Wieder­ho­lung „wahr“ anfüh­len.

Dieser Arti­kel zeigt, wie solche Denk­mus­ter entste­hen, welche typi­schen Verzer­run­gen die Sicht veren­gen und wie du mit einer klaren, einfa­chen Methode wieder mentale Steue­rung gewinnst. Für dich selbst, für Führung, für Teams.

Von der Spur zum Weg: Wie Gedanken zu Überzeugungen werden

  • Gedan­ken → Gefühle → Verhal­ten → Ergeb­nisse. Ein wieder­keh­ren­der Gedanke („Ich schaffe das nicht“) löst entspre­chende Gefühle aus (Unsi­cher­heit), beein­flusst Verhal­ten (zögern, vermei­den) und bestä­tigt am Ende schein­bar den Ursprungs­ge­dan­ken („Siehste, hat nicht geklappt“).

  • Vertraut ≠ wahr. Was sich häufig wieder­holt, fühlt sich rich­tig an, ist es aber nicht auto­ma­tisch. Das Gehirn liebt Muster und spart Ener­gie, indem es Bekann­tes bevor­zugt.

Ein Merk­satz dazu: Ein Gedanke ist eine Hypo­these über die Reali­tät, kein Beweis.

Typische kognitive Verzerrungen (die du kennen solltest)

Diese Denk­fil­ter laufen auto­ma­tisch, das macht sie wirkungs­voll.

Ein kurzer Über­blick:

Alles-oder-nichts-Denken: Entwe­der perfekt oder wert­los („Wenn es nicht 100 % ist, ist es schlecht.“)

Kata­stro­phi­sie­ren: Aus einer Unsi­cher­heit wird schnell ein Worst-Case-Film.

Gedan­ken­le­sen: Wir glau­ben zu wissen, was andere denken („Sie finden mich unfä­hig.“)  ‚ohne Evidenz.

Abwer­ten des Posi­ti­ven: Erfolge werden rela­ti­viert („Zufall, Glück, nichts Beson­de­res.“).

Bestä­ti­gungs­feh­ler: Wir suchen und erin­nern vor allem Belege für das, was wir ohne­hin glau­ben.

Perso­na­li­sie­ren: Dinge, die außer­halb unse­res Einflus­ses liegen, bezie­hen wir auf uns („Meinet­we­gen läuft das schief.“).

Erster Schritt zur Souve­rä­ni­tät: Verzer­run­gen benen­nen. Was ich benenne, kann ich steu­ern.

Führungsperspektive: Warum das Thema für Leader und Teams entscheidend ist

  • Entschei­dungs­qua­li­tät: Verzer­run­gen veren­gen Optio­nen und fördern Risi­ko­blind­heit (oder über­mä­ßige Vorsicht).

  • Kommu­ni­ka­tion und Kultur: Nega­tive Deutun­gen werden in Teams schnell geteilt, sie prägen Stim­mung, Leis­tung und Vertrauen.

  • Selbst­füh­rung: Wer seine Gedan­ken führen kann, führt stabi­ler, beson­ders unter Druck.

Praxis­im­puls für Führung: In Meetings bewusst zwischen Fakt (beob­acht­ba­res Ereig­nis) und Bewer­tung (Inter­pre­ta­tion) unter­schei­den lassen. Das senkt Eska­la­tio­nen und erhöht Klar­heit.

Evidenzbasierter Umgang: Von der Gedanken-Autobahn zurück auf die Wahlfreiheit

Die 5‑Schritte-Methode: N‑FIVE

(in 3–5 Minu­ten anwend­bar, alleine oder im Coaching/Team)

  1. Notice — Wahr­neh­men
    Was denke ich gerade genau? Wort­wört­lich aufschrei­ben.
    Beispiel: „Ich werde das nicht gut genug machen.“

  2. Name — Verzer­rung benen­nen
    Welcher Denk­feh­ler könnte hier wirken? (z. B. Kata­stro­phi­sie­ren)

  3. Norma­lize — Norma­li­sie­ren
    Diese Reak­tion ist mensch­lich und gelernt. Sie darf da sein, sie muss aber nicht führen.

  4. Null-Check — Fakten prüfen

    • Welche Belege spre­chen dafür?

    • Welche Belege spre­chen dage­gen?

    • Was würde eine neutrale Außen­per­spek­tive sagen?

  5. Next Step — Hand­lungs­fo­kus
    Was ist der kleinste mach­bare nächste Schritt, der mich voran­bringt? (Tele­fo­nat, Skizze, 30-Minu­ten-Arbeits­block, Feed­back einho­len)

Warum das wirkt:

  • Unter­bricht den Auto­pi­lo­ten, senkt emotio­nale Reak­ti­vi­tät, erhöht kogni­tive Flexi­bi­li­tät.

  • Über­setzt Einsicht in konkre­tes Verhal­ten — der echte Schlüs­sel­mo­ment.

Mini-Werkzeugkasten (kurz und wirksam)

  • Gedan­ken­pro­to­koll (1×/Tag, 2 Minu­ten): Situa­tion — Gedanke — Gefühl (0–10) — Verhal­ten — alter­na­ti­ver Gedanke — Gefühl (0–10).

  • Beweis­liste: Für kriti­sche Glau­bens­sätze 5 Gegen­be­lege sammeln (Erfolge, Feed­back, Daten).

  • Reframing-Fragen:

    • „Was über­sehe ich gerade?“

    • „Welche alter­na­tive, eben­falls plau­si­ble Deutung gibt es?“

    • „Welche Infor­ma­tion bräuchte ich, um siche­rer zu entschei­den?“

  • Verhal­tens-Expe­ri­ment: Kleine Tests statt Grübeln („Ich präsen­tiere eine Skizze statt Perfek­tion und hole Feed­back ein.“)

  • Selbst­em­pa­thie in einem Satz: „Es ist verständ­lich, dass ich so denke und ich entscheide mich jetzt für den kleins­ten Schritt nach vorn.“

Team- und Meeting-Hacks (für Führung & HR)

  • Fakt/­Deu­tung-Runde: Erst Fakten, dann Deutun­gen, dann Entschei­dun­gen.

  • „Was spricht dage­gen?“ Pflicht­frage: Syste­ma­tisch Gegen­ar­gu­mente sammeln (Bias-Gegen­mit­tel).

  • Retro-Format (15 Minu­ten): „Was lief gut? Was lernen wir? Was nehmen wir konkret mit?“  ohne Schuld­zu­wei­sun­gen.

  • Feed­back-Hygiene: Aner­ken­nung für Substanz (Inhalt, Wirkung), nicht nur Sicht­bar­keit.

Häufige Mythen, kurz widerlegt

  • „Wenn ich Zwei­fel habe, bin ich schwach.“
    Nein. Zwei­fel zeigen Bewusst­sein. Entschei­dend ist der Umgang damit.

  • „Posi­tive Gedan­ken reichen.“
    Reines Posi­tiv­den­ken igno­riert Risi­ken. Wirk­sam ist realis­ti­sches, hand­lungs­ori­en­tier­tes Denken.

  • „Ich muss zuerst selbst­be­wusst sein, dann handeln.“
    In der Regel umge­kehrt: Handeln (kleine Schritte) nährt Selbst­ver­trauen.

Checkliste: Mentale Klarheit im Alltag (zum Ausdrucken)

  • ☐ Habe ich gerade einen Fakt oder eine Bewer­tung?

  • ☐ Welche Verzer­rung könnte wirken?

  • ☐ Welche Evidenz spricht dafür/dagegen?

  • ☐ Was ist der kleinste nächste Schritt (≤ 30 Minu­ten)?

  • ☐ Was habe ich heute trotz Unsi­cher­heit voran­ge­bracht?

Kurzum…

Gedan­ken sind Ange­bote, keine Gesetze.
Wer sie erkennt, prüft und gezielt in kleine, konkrete Schritte über­setzt, gewinnt mentale Souve­rä­ni­tät zurück – im Privat­le­ben, in der Führung, im Team.

Klar­heit entsteht nicht durch mehr Grübeln,
sondern durch bewuss­tes Prüfen und konse­quen­tes Handeln.

Vielen Dank für’s lesen.

Katja Ettl

(SHOU- Perso­nal- und Busi­ness Coaching)