Es war einmal eine Frau…

So beginnt die Geschichte, die Cyril North­cote Parkin­son 1955 in seinem berühm­ten Essay erzählte. Diese Frau hatte eine einzige Aufgabe für den ganzen Tag: eine Post­karte zu schrei­ben. Und weißt du was? Es dauerte den ganzen Tag.

Sie suchte die perfekte Karte aus, grübelte über die rich­tige Formu­lie­rung, ging extra zur Post, um die schönste Brief­marke zu finden.

Das Parkinson’sche Gesetz besagt:

„Arbeit dehnt sich aus, um die verfüg­bare Zeit zu füllen.“

Der unsichtbare Zeitdieb in unserem Kopf

Wir alle kennen ihn, diesen selt­sa­men Mecha­nis­mus: Eine Präsen­ta­tion, die in zwei Stun­den fertig sein könnte, wird plötz­lich zu einem zwei­wö­chi­gen Projekt – wenn wir zwei Wochen Zeit haben.

Es ist, als würde unsere Arbeit atmen – sich ausdeh­nen und zusam­men­zie­hen je nach dem verfüg­ba­ren Raum.

Aber warum ist das so? Liegt es daran, dass wir faul sind? Oder viel­leicht perfek­tio­nis­tisch?

Die Wahr­heit ist komple­xer – und zugleich einfa­cher: Unser Gehirn ist darauf program­miert, verfüg­bare Ressour­cen zu nutzen. Wie ein Gas, das sich gleich­mä­ßig im Raum verteilt, dehnt sich unsere Arbeit aus, um die gege­bene Zeit zu füllen.

Je mehr Zeit wir haben, desto komple­xer und belas­ten­der machen wir die Aufgabe in unse­rem Kopf.

Die Psychologie hinter dem Zeitdiebstahl

Stell dir vor, du stehst im Super­markt.
Du hast fünf Arti­kel auf deiner Liste und zehn Minu­ten Zeit:

➡️ Du gehst fokus­siert durch die Gänge, sammelst ein, zahlst – fertig.

Gib dir aber eine Stunde Zeit – und plötz­lich:

  • liest du Zuta­ten­lis­ten,
  • vergleichst Preise,
  • entdeckst Dinge, die du gar nicht brauchst.

So funk­tio­niert unser Geist: Er füllt die Zeit mit zusätz­li­chen Über­le­gun­gen, Zwei­feln und Detail­ar­beit. Nicht aus böser Absicht – sondern, weil wir Menschen eben so ticken.

Wir sind Geschich­ten­er­zäh­ler, und je mehr Zeit wir haben, desto mehr Drama fügen wir der Hand­lung hinzu.

Der Teufelskreis der Prokrastination

Das Parkinson’sche Gesetz ist der beste Freund der Aufschie­be­ri­tis.

Wir haben eine Woche Zeit?
➡️ Wir fangen am letz­ten Tag an.
➡️ Wir arbei­ten unter Druck.
➡️ Wir schaf­fen es trotz­dem – aber zu welchem Preis?

Stress, innere Unruhe, Selbst­zwei­fel.
Und der heim­li­che Gedanke: Warum tu ich mir das immer wieder an?

Die Befreiung: Kleine Zeitfenster, große Wirkung

Die Lösung klingt para­dox:

Um mehr Zeit zu haben, musst du dir weni­ger Zeit geben.

Wie beim Kochen:
Ein Gericht unter leich­tem Zeit­druck schmeckt oft besser als eines, das man ewig zerdenkt.

Zwei einfache Techniken:

Die 25-Minu­ten-Regel (Pomo­doro-Tech­nik):
Stell dir einen Timer auf 25 Minu­ten. Arbeite fokus­siert. Keine E‑Mails. Keine Ablen­kung.
Nur du und die Aufgabe.

Die Halbie­rungs­for­mel:
Schätze, wie lange du brauchst – und halbier die Zeit. In den meis­ten Fällen wirst du trotz­dem fertig. Und der Rest? Wird nicht künst­lich aufge­bla­sen.

Die Kunst des bewussten Zeitmanagements

Zeit ist kein endlo­ser Fluss. Zeit ist ein Garten – du musst ihn eintei­len und pfle­gen.

Fang klein an:

  • Eine E‑Mail in 5 Minu­ten.
  • Ein Gespräch in 15 Minu­ten.
  • Eine Entschei­dung in 10.

Sanf­ter Zeit­druck klärt Gedan­ken, fokus­siert Ener­gie und verhin­dert geis­tige Blähun­gen.

Das Leben jenseits des Zeitdiebstahls

Wer dem Parkinson’schen Gesetz die Stirn bietet, gewinnt etwas zurück: Echte Frei­zeit.

Nicht diese halb­wa­che Bild­schirm-Starr­zeit, sondern

📚 Zeit zum Lesen
🌳 Zeit zum Spazie­ren
👂 Zeit zum Zuhö­ren
😌 Zeit zum Atmen

Es ist wie das Aufräu­men eines über­füll­ten Dach­bo­dens: Wenn der ganze Kram weg ist, siehst du erst, wie viel Raum du eigent­lich hast.

Ein neuer Umgang mit der Zeit

Viel­leicht ist das Parkinson’sche Gesetz gar kein Feind. Viel­leicht ist es ein Spie­gel: Ein Hinweis darauf, wie groß­zü­gig – oder gedan­ken­los – wir mit unse­rer Zeit umge­hen.

In einer Welt, die uns perma­nent beschäf­ti­gen will, ist bewuss­tes Zeit­ma­nage­ment ein Akt der Rebel­lion.

Werde nicht Opfer deiner eige­nen zeit­li­chen Groß­zü­gig­keit. Werde Archi­tekt deiner Tage.

Zum Schluss eine kleine Übung

Schau auf deine nächste Aufgabe: Wie viel Zeit würdest du dir dafür geben? ➡️ Halbiere sie.

Nicht aus Hektik – sondern aus Respekt.
Respekt vor deiner Zeit.
Respekt vor deiner Klar­heit.
Respekt vor dem Leben.

Und die Postkarte?

Die Frau in Parkin­sons Geschichte schickte sie am Ende tatsäch­lich ab. Trotz des ganzen Aufwands kam sie genauso gut an, als hätte sie nur fünf Minu­ten dafür gebraucht.

Manch­mal ist weni­ger wirk­lich mehr.