In unse­rer Kultur ist Arbeit ein iden­ti­täts­stif­ten­der Faktor. Arbeit bietet soziale Sicher­heit. Arbeit hat einen Einfluss auf die persön­li­che Lebens­zu­frie­den­heit, auf die psychi­sche und körper­li­che Gesund­heit. Deshalb ist Arbeits­lo­sig­keit oder auch der gesetz­lich verord­nete Ruhe­stand für viele Betrof­fene ein Problem.

Den kultu­rel­len Unter­schied bezüg­lich des Stel­len­werts von Arbeit habe ich eindrück­lich erlebt, als ich mit meiner dama­li­gen Part­ne­rin in Kolum­bien war. Ich wurde viel einge­la­den und war auf Partys. Nie wurde ich gefragt, was ich beruf­lich mache; das hat mich am Anfang irri­tiert. Bei den Frauen hatte man dann gute Karten, wenn man Salsa tanzen konnte. In latei­ni­schen Kultu­ren, die nicht über­ver­si­chert sind wie bei uns, ist immer wieder mal ein Fami­li­en­mit­glied arbeits­los. Dann wird gemein­sam für den Betrof­fe­nen gesorgt, bis er wieder eine Arbeit hat. Das heißt, der Mensch wird nicht nach dem geschätzt, was er tut, sondern was er ist.

Wann kann ein Job toxisch werden?

Wenn der Stress hoch ist, es viele Frus­tra­ti­ons­mo­mente gibt, Mitar­bei­ter inkom­pe­tent geführt werden, es Mobbing oder Schi­kane durch den Chef gibt, dann hat das einen Einfluss auf die psychi­sche Belas­tung der Arbeit­neh­mer. Dann kann ein Job toxisch werden. Die Digi­ta­li­sie­rung der Arbeits­welt hat auch einen Teil dazu beigetra­gen, dass sich viele Menschen von ihrer Arbeit über­for­dert fühlen. Ein Indi­ka­tor ist die alte Thera­peu­ten­weis­heit: „Nachts meldet sich die Seele.“ Das kann man sich wie eine mentale Müll­ab­fuhr vorstel­len. Wer schlecht schläft, wen die Arbeit in der Nacht heim­sucht, der hat einen toxi­schen Job – egal, ob die Träume neutral oder belas­tend sind. Auch Gedan­ken­kreise vor dem Einschla­fen sind ein Warn­si­gnal.

Was können Menschen tun, die merken, dass ihnen die Arbeit nicht guttut?

Die Ausgangs­lage ist unter­schied­lich. Mein erster Tipp ist, zu schauen: Wie viel Zeit habe ich im Laufe eines Tages, in der ich wirk­lich abschalte? Keine elek­tro­ni­schen Medien, keine Tätig­keit, die mich geis­tig fordert. Wer genü­gend Zeit hat, sollte sich am Tag mindes­tens eine halbe Stunde Zeit zur menta­len Entspan­nung nehmen. Dazu helfen mentale Tech­ni­ken wie Auto­ge­nes Trai­ning. Noch besser und wirk­sa­mer ist Selbst­hyp­nose. Die maßge­schnei­derte Selbst­hyp­nose für Entspan­nung und besse­ren Schlaf kann bei mir elek­tro­nisch bestellt werden – zum Down­load auf das Smart­phone.

Manch­mal ist nicht der Job das Problem, sondern die Person, die ihn ausführt

Weil manch­mal nicht der Job das Problem ist, sondern die Person, die ihn ausführt. Viele Menschen igno­rie­ren, dass sie ihre Lebens­ge­schichte zu jedem Arbeit­ge­ber mitneh­men. Sie machen sich nicht klar, dass sie ein Teil des Problems sind. Kaum einer will das hören. Wich­tig wäre, sich erst mal seelisch zu stabi­li­sie­ren, belast­bar zu werden. Wer gut aufge­stellt ist, sollte schauen, ob er seine Arbeits­be­din­gun­gen posi­tiv verän­dern und mitge­stal­ten kann. Niemand muss unter der Schi­kane seines Chefs leiden – also HR einschal­ten oder sich eine Lösung mit den Kolle­gen über­le­gen. Genauso muss niemand dauer­haft über­for­dernde Arbeits­be­din­gun­gen aushal­ten.

Und wenn alle Versu­che schei­tern?

Es gibt auch Menschen, die sich von Beginn an den falschen Job ausge­sucht haben. Beispiel: jemand mit großem krea­ti­vem Poten­zial, der stupide Verwal­tungs­ar­beit erle­digt. Wer perma­nent auf dem falschen Spiel­feld unter­wegs ist, muss sich nicht wundern, wenn das Spiel keinen Spaß macht. Das Spiel­feld kann auch durch den Schieds­rich­ter, sprich Chef, nega­tiv beein­flusst werden. Das habe ich erlebt, als mein dama­li­ger Chef „Mikro­ma­nage­ment“ machte. Meine Arbeit ist mir total verlei­det, ich hatte keinen Bock mehr, es hatte mich nicht mehr inter­es­siert. Am Schluss kam es zur Kündi­gung – das habe ich als Befrei­ung erlebt, und ich ging in die Selb­stän­dig­keit als Job-Coach.

Wie sehr kann ein toxi­scher Job Menschen denn schä­di­gen – schlimms­ten­falls?

Es beginnt schlei­chend. Anfangs zeigen sich typi­sche Stress­sym­ptome, also erhöh­ter Blut­druck, Magen-Darm-Probleme, Schlaf­pro­bleme. Irgend­wann liegen die Nerven blank. Dann beginnt eine Abwärts­spi­rale, die kaum aufzu­hal­ten ist. Betrof­fene kommen mit den Arbeits­an­for­de­run­gen immer weni­ger zurecht, reagie­ren ungüns­tig. Oft kommt es zum soge­nann­ten Kompen­sa­ti­ons­ver­hal­ten: Die Arbeit macht krank, deshalb grei­fen Menschen beispiels­weise zu unge­sun­der Ernäh­rung, Alko­hol oder Drogen. Am Ende steht entwe­der der seeli­sche Bank­rott – also Depres­sio­nen – oder der psycho­so­ma­ti­sche.

Nicht die Jobs werden toxi­scher, sondern die Menschen dünn­häu­ti­ger, weni­ger resi­li­ent

Dass der Körper reagiert: Jemand hat zum Beispiel so starke Migräne oder so heftige Rücken­schmer­zen, dass er nicht mehr arbei­ten kann. Wich­tig ist: Jede Form der Erkran­kung ist eine Schutz­re­ak­tion des Körpers und der Seele.

Wie verhin­dert man, in einen toxi­schen Job zu rutschen?

An erster Stelle steht die seeli­sche Stabi­li­tät. Wer schwie­rige Erleb­nisse aus der Vergan­gen­heit nicht verar­bei­tet hat, der wird eher in ungüns­tige Arbeits­be­din­gun­gen rutschen. Zwei­ter Punkt: Man sollte sich einen Job suchen, der zu einem passt. Es gibt so viele Möglich­kei­ten, einen passen­den Job zu finden – man muss nur suchen.

Und was sind weitere Schritte?

Wich­tig ist auch eine erfül­lende und stär­kende Frei­zeit. Ich habe in der Bera­tung immer wieder Menschen getrof­fen, die unter ihren Jobs leiden, weil sie keine Option mehr zur Rege­ne­ra­tion haben. Letz­ter Schritt: den Mut haben, Miss­stände früh­zei­tig anzu­spre­chen und gemein­sam mit der Führungs­kraft Lösun­gen zu erar­bei­ten.

Sind toxi­sche Jobs auch ein gesell­schaft­li­ches Problem? Stich­wort: Leis­tungs­druck?

Ich glaube, nicht die Jobs werden toxi­scher, sondern die Menschen dünn­häu­ti­ger, weni­ger resi­li­ent. Ich habe in den 60er-Jahren Mecha­ni­ker gelernt. Die ersten 4 Wochen haben wir nichts ande­res gemacht, als ein Stück Eisen am Schraub­stock zu einem Würfel zu feilen – jeweils 4×5 Tage à 9 Std. Das heißt: 180 Std! Das wäre heute nicht mehr vorstell­bar. Die Lehr­linge würden schon am ersten Tag davon­lau­fen. Ich glaube, in vielen Berei­chen waren die Aufga­ben schon immer sehr anspruchs­voll, und sie werden mit der Digi­ta­li­sie­rung nicht einfa­cher, sondern inten­si­ver durch die extrem schnelle Entwick­lung der KI-Tools. Die Menschen haben aber verlernt, sich zu erho­len.

Eigent­lich kann Arbeit doch auch ein sehr erfül­len­der Faktor im Leben sein. Viel­leicht sogar heil­sam.

Arbeit kann glück­lich machen, Arbeit kann Freude berei­ten, Arbeit kann Ener­gie geben. Trotz­dem ist Arbeit keine Thera­pie. Wer mit diesem Anspruch an einen Job heran­geht, wird enttäuscht werden. Es gibt einen Grund, warum Arbeit „Arbeit“ heißt – und nicht Frei­zeit. Arbeit wird dann als sinn­stif­tend erlebt und führt nach­hal­tig zu über­durch­schnitt­li­cher Leis­tung, wenn die Lebens­mo­tive und die Anfor­de­run­gen eine hohe Über­ein­stim­mung haben. Um das heraus­zu­fin­den, gibt es das Assess­ment mit dem LUXX-Profile.

Der Arti­kel basiert auf Focus Online vom 15.07.25 sowie eige­nen Erfah­run­gen.