Das Neuro­af­fek­tive Bezie­hungs­mo­dell (NARM) ist ein inno­va­ti­ver Ansatz, der sich sowohl in der (Trauma)Therapie als auch im Coaching wach­sen­der Beliebt­heit erfreut. Doch was unter­schei­det NARM von ande­ren Metho­den, und warum gilt es als so wegwei­send?

Die Kernprinzipien von NARM

NARM wurde von Dr. Laurence Heller entwi­ckelt und ist ein Ansatz, der sich auf die Auswir­kun­gen von frühen Bindungs­er­fah­run­gen auf die persön­li­che Entwick­lung konzen­triert. Es vereint Aspekte aus der moder­nen Neuro­bio­lo­gie, Bindungs­theo­rie und soma­ti­schen Psycho­the­ra­pie, um tief verwur­zelte Schutz­mus­ter zu erken­nen und aufzu­lö­sen.

Die zentra­len Merk­male von NARM:

  1. Arbeit im Hier und Jetzt: Im Gegen­satz zu tradi­tio­nel­len psycho­dy­na­mi­schen Ansät­zen, die oft die Vergan­gen­heit analy­sie­ren, fokus­siert NARM auf das, was im gegen­wär­ti­gen Moment geschieht. Es wird erforscht, wie alte Muster sich im Hier und Jetzt zeigen.
  2. Ressour­cen­ori­en­tie­rung: NARM legt großen Wert auf die vorhan­de­nen Stär­ken und Ressour­cen der Klient*innen und baut darauf auf, um neue Wege des Handelns und Denkens zu etablie­ren, ohne dabei die Heraus­for­de­run­gen und Schwie­rig­kei­ten auszu­blen­den.
  3. Inte­gra­tion von Körper und Geist: Wie in vielen soma­ti­schen Ansät­zen wird auch bei NARM die Verbin­dung zwischen körper­li­chen Empfin­dun­gen und emotio­na­len Erfah­run­gen genutzt, um nach­hal­tige Verän­de­run­gen zu errei­chen.
  4. Fokus auf Iden­ti­tät und Verbin­dung: NARM arbei­tet mit der Frage, wie Menschen ihre Iden­ti­tät in Verbin­dung mit sich selbst und ande­ren erle­ben, und hilft, eine tiefere Selbst­ak­zep­tanz und Verbun­den­heit zu entwi­ckeln.

Arbeit mit „Widerstand“ in NARM

In jedem Coaching- oder Thera­pie­pro­zess kann „Wider­stand“ auftre­ten – sei es in Form von Zögern, Abwehr oder sogar offe­ner Vermei­dung. Im Gegen­satz zu vielen Metho­den und Model­len behan­delt NARM Wider­stand aller­dings nicht als Problem, das über­wun­den werden muss, sondern als Schutz­me­cha­nis­mus, der in der Vergan­gen­heit eine wich­tige Funk­tion hatte. Statt diesen direkt zu durch­bre­chen oder ander­wei­tig dage­gen zu arbei­ten, wird im NARM-Ansatz mit Neugier und Mitge­fühl erforscht, welche Bedürf­nisse oder Ängste hinter dem „Wider­stand“ stehen.

Dieser Ansatz erlaubt es Klient*innen, ihre Schutz­stra­te­gien selbst zu verste­hen und schritt­weise loszu­las­sen, ohne Druck oder Zwang. Das Ergeb­nis ist oft eine tiefere Bereit­schaft zur Verän­de­rung und ein Gefühl der Selbst­er­mäch­ti­gung.

Es geht nämlich nicht darum, Menschen zu opti­mie­ren, sie besser, Leis­tungs­fä­hi­ger, etc. zu machen. Es geht darum, zu schauen, was kommt Dir inner­lich in den Weg in Bezug auf das, was Du Dir wirk­lich für Dich wünscht. Dieser Perspek­tiv­wech­sel kann erst­mal unschein­bar wirken, ist für mich aber das, was NARM so revo­lu­tio­när macht. Es geht also im bild­li­chen Sinne darum, die Steine und Stau­dämme aus dem Fluss­bett wieder abzu­bauen, damit der (innere) Fluss wieder so flie­ßen kann, wie er es ursprüng­lich konnte. Es wird also davon ausge­gan­gen, dass jeder Mensch die Fähig­keit in sich trägt, frei zu flie­ßen und das es aber gute Gründe gab, warum wir unse­ren Fluss unter­bro­chen haben. Darin wird für mich ein zutiefst ressour­cen­ori­en­tier­ter und bestär­ken­der Blick auf Menschen deut­lich.

Wie unterscheidet sich NARM von anderen Ansätzen?

1. Im Vergleich zu psychodynamischen Therapieansätzen

Klas­si­sche psycho­dy­na­mi­sche oder psycho­ana­ly­ti­sche Ansätze fokus­sie­ren oft auf die detail­lierte Analyse der Vergan­gen­heit. Während dies aufschluss­reich sein kann, bleibt es manch­mal abstrakt und schwer in die Gegen­wart zu über­tra­gen. NARM hinge­gen beleuch­tet, wie vergan­gene Erfah­run­gen aktu­elle Heraus­for­de­run­gen beein­flus­sen, ohne in eine ausge­dehnte Aufar­bei­tung der Vergan­gen­heit einzu­tau­chen. Dies ermög­licht Klient*innen, schnel­ler prak­ti­sche Verän­de­run­gen zu erle­ben. Denn es geht nicht darum die vergan­ge­nen (trau­ma­ti­schen) Erleb­nisse immer wieder neu zu durch­le­ben, sondern zu verste­hen, wie wir uns daran ange­passt haben und die Anpas­sungs­stra­te­gien im Hier und Jetzt fort­füh­ren und uns dadurch selber in den Weg kommen.

2. Im Vergleich zu kognitiven Ansätzen

Kogni­tive Ansätze wie die kogni­tive Verhal­tens­the­ra­pie (CBT) zielen darauf ab, dysfunk­tio­nale Denk­mus­ter zu iden­ti­fi­zie­ren und zu verän­dern. NARM erwei­tert diesen Fokus, indem es die zugrunde liegen­den emotio­na­len und soma­ti­schen Reak­tio­nen einbe­zieht, die nicht allein durch kogni­tive Inter­ven­tio­nen adres­siert werden können.

3. Im Vergleich zu anderen somatischen Methoden

Metho­den wie Soma­tic Expe­ri­en­cing (SE) oder die Senso­ri­mo­to­ri­sche Psycho­the­ra­pie arbei­ten inten­siv mit körper­li­chen Empfin­dun­gen, um trau­ma­ti­sche Erleb­nisse zu verar­bei­ten. NARM inte­griert diese soma­ti­sche Arbeit, legt jedoch gleich­zei­tig einen star­ken Fokus auf die zwischen­mensch­li­che Bezie­hung und die Entwick­lung von Selbst­ver­bin­dung. Es betont weni­ger die Verar­bei­tung spezi­fi­scher trau­ma­ti­scher Ereig­nisse und mehr die Trans­for­ma­tion der sich in Antwort darauf entwi­ckel­ten Schutz­stra­te­gien.

4. Im Vergleich zu systemischen Ansätzen

Syste­mi­sche Ansätze betrach­ten vor allem die Dyna­mi­ken inner­halb von Bezie­hun­gen und Grup­pen. NARM inte­griert diesen Blick­win­kel, rich­tet jedoch den Fokus stär­ker darauf, wie die indi­vi­du­elle Bezie­hung zu sich selbst die Bezie­hun­gen zu ande­ren beein­flusst. Es geht also um die Frage, wie orga­ni­sie­ren wir uns inner­lich und verar­bei­ten dadurch die Infor­ma­tio­nen und Ereig­nisse im Außen.

Warum ist NARM so wirkungsvoll?

  1. Nach­hal­tige Verän­de­run­gen: Da NARM auf tief verwur­zelte Schutz­me­cha­nis­men abzielt, die oft unbe­wusst wirken, führt es zu lang­fris­ti­gen und tief­grei­fen­den Verän­de­run­gen.
  2. Brei­tes Anwen­dungs­spek­trum: NARM eignet sich sowohl für die Arbeit mit trau­ma­ti­schen Erfah­run­gen als auch für persön­li­ches Wachs­tum und Entwick­lung. Im Coaching-Kontext hilft es beispiels­weise Führungs­per­so­nen, alte Muster zu erken­nen und neue Wege des Handelns zu finden.
  3. Kombi­na­tion aus Wissen­schaft und Mensch­lich­keit: Der Ansatz basiert auf neues­ten neuro­bio­lo­gi­schen Erkennt­nis­sen und ist gleich­zei­tig zutiefst mensch­lich und mitfüh­lend — denn im Kern ist NARM eine Haltung und keine strenge und manua­li­sierte Abfolge von Schrit­ten. Passen­der ist das Bild einer Land­karte, die uns dabei hilft, uns selber tiefer zu erfor­schen, verste­hen und zu entfal­ten.

Wissenschaftliche Perspektive

  • Neuro­bio­lo­gi­sche Grund­la­gen: Laut Porges (2011) zeigt die Poly­va­gal-Theo­rie, wie das auto­nome Nerven­sys­tem auf soziale Bindun­gen und Stress reagiert. NARM nutzt dieses Wissen, um Schutz­mus­ter zu verste­hen und zu trans­for­mie­ren.
  • Bindung und Entwick­lung: Forschun­gen von Schore (2012) beto­nen die Bedeu­tung früher Bindungs­er­fah­run­gen für die emotio­nale Entwick­lung. NARM inte­griert diese Erkennt­nisse, um dysfunk­tio­nale Muster zu bear­bei­ten.
  • Soma­ti­sche Psycho­the­ra­pie: Studien von Ogden et al. (2006) zeigen, wie die Inte­gra­tion von Körper­emp­fin­dun­gen in die thera­peu­ti­sche Arbeit zu nach­hal­ti­ge­ren Ergeb­nis­sen führt. NARM erwei­tert diesen Ansatz durch seinen Fokus auf Selbst­ver­bin­dung und Bezie­hung.

Fazit

NARM ist mehr als nur eine Methode – es ist ein para­dig­ma­ti­scher Ansatz / eine Haltung, wodurch die Art und Weise, wie wir Coaching und Thera­pie verste­hen, revo­lu­tio­niert wird. Indem es den Fokus auf Selbst­ver­bin­dung, Ressour­cen und die Arbeit im Hier und Jetzt legt, bietet es einen kraft­vol­len Rahmen für tief­grei­fende und nach­hal­tige Verän­de­run­gen.

Wenn du neugie­rig bist, wie NARM deine persön­li­che oder beruf­li­che Entwick­lung unter­stüt­zen kann, erfahre mehr auf meiner Website oder lass uns ins Gespräch kommen.

Quellen zum Vertiefen: