“Sei geduldig mit allen Fragen in deinem Herzen, und versuche, die Fragen an sich zu schätzen.”
– Rainer Maria Rilke
Wir sind süchtig nach Antworten. Jede Wissenslücke wird sofort gegoogelt, jede Unsicherheit soll schnellstmöglich beseitigt werden. Eine offene Frage fühlt sich an wie ein Fehler im System, eine Aufgabe, die dringend erledigt werden muss. Sie ist ein Zustand, den wir kaum ertragen.
Und dann sind da die wirklich großen Fragen. Die, die sich nicht mit einer schnellen Suche klären lassen. Sitzt du im richtigen Leben? Ist das der Mensch, mit dem du bleiben willst? War diese Entscheidung ein Fehler? Diese Fragen lauern unter der Oberfläche und erzeugen einen permanenten Druck, eine Lösung finden zu müssen.
Rilke schlägt etwas Radikales vor: Hör auf, die Antwort zu jagen. Betrachte die Frage selbst nicht als Problem, sondern als einen Raum. Einen Raum, in dem du eine Zeit lang leben sollst. Wie ein unbekanntes Zimmer, dessen Wände du abtastest, dessen Aussicht du erkundest. Was, wenn die Ungewissheit kein Mangel ist, sondern der einzige Ort, an dem sich etwas wirklich Neues entwickeln kann?
Was, wenn die Frage selbst das Ziel ist?
