Hand aufs Herz: Kennst du das Gefühl, morgens vor der Arbeit eine unsicht­bare Rüstung anzu­le­gen? Visier runter, bloß keine Schwä­che zeigen, immer souve­rän wirken?

Wir haben gelernt: Wer führt, muss perfekt sein. Wer Fehler macht, verliert den Respekt. Aber diese Rüstung ist verdammt schwer. Sie isoliert dich von deinem Team und verhin­dert genau das, was du eigent­lich willst: echtes Vertrauen.

Brené Brown rüttelt mit ihrem Buch „Dare to Lead” an genau diesem Glau­bens­satz. Nach jahre­lan­ger Forschung sagt sie: Echte Stärke hat nichts mit Unver­wund­bar­keit zu tun.

Hier sind vier Gedan­ken aus dem Buch, die dich viel­leicht aufat­men lassen.

1. Klarheit ist Freundlichkeit (nicht Nettsein)

Wie oft hast du ein unan­ge­neh­mes Gespräch vor dir herge­scho­ben, weil du „nett” sein woll­test? Wie oft hast du Kritik so weich verpackt, dass die Botschaft gar nicht ankam?

Brown bringt es auf den Punkt: „Clear is kind. Unclear is unkind.” (Klar ist freund­lich. Unklar ist unfreund­lich.)

Wenn du um den heißen Brei herum­re­dest, bist du nicht nett. Du bist unklar. Du lässt dein Gegen­über im Regen stehen, weil er nicht weiß, woran er ist. Das erzeugt Unsi­cher­heit und Flur­funk. Mutige Führung heißt: Sag, was Sache ist. Sei ehrlich und direkt, aber bleib dabei mensch­lich. Das ist die größte Wert­schät­zung, die du deinem Team geben kannst.

2. Der Mythos der Schwäche

„Wenn ich zugebe, dass ich keine Ahnung habe, halten die mich für inkom­pe­tent.“
Stimmt das wirk­lich?

Du stehst vor deinem Team und sagst: „Ich habe hier einen Fehler gemacht. Ich habe die Lösung noch nicht, aber ich werde sie mit euch finden.” Ist das schwach? Nein. Das erfor­dert riesi­gen Mut.

Es gibt keinen Mut ohne Verletz­lich­keit. Wenn du willst, dass dein Team inno­va­tiv ist, müssen Fehler erlaubt sein. Wenn du willst, dass sie dir vertrauen, musst du den ersten Schritt machen. Zeig dich. Nicht als unnah­ba­rer Held, sondern als Mensch.

3. Ignoriere die „billigen Plätze”

Kritik tut weh. Punkt. Beson­ders, wenn wir uns etwas getraut haben.
Brown nutzt das Bild der Arena: Wenn du mutig führst, stehst du unten im Sand. Du kämpfst, du schwitzt, du machst dir die Hände schmut­zig.

Oben auf den Rängen – auf den billi­gen Plät­zen – sitzen die Zuschauer. Das sind die Leute, die selbst nie etwas riskie­ren, aber ganz genau wissen, was du falsch machst.

Hier ist der Rat, der befreit: Hör nicht auf sie.
Nimm Kritik ernst von den Menschen, die selbst in der Arena stehen und wissen, wie viel Mut das kostet.

Such dir deine vertrau­ens­wür­di­gen Stim­men. Brown empfiehlt eine konkrete Übung: Nimm einen klei­nen Zettel – wirk­lich klein, nur 2x2 Zenti­me­ter. Schreib die Namen der Menschen darauf, deren Meinung dir wirk­lich wich­tig ist. Das sind Menschen, die dich mögen, auch wenn du unper­fekt bist, und die dir trotz­dem ehrlich die Meinung sagen. Nur diese Stim­men zählen. Der Rest ist Lärm.

4. Vertrauen entsteht im Kleinen

Wir warten oft auf den großen Helden­mo­ment, um uns zu bewei­sen. Dabei ist Vertrauen wie ein Mosaik. Es setzt sich aus tausend winzi­gen Stein­chen zusam­men.

Vertrauen entsteht, wenn du im Meeting wirk­lich zuhörst, statt schon deine Antwort im Kopf zu formu­lie­ren. Wenn du dich daran erin­nerst, dass die Toch­ter deines Mitar­bei­ters heute Geburts­tag hat. Wenn du nicht über Abwe­sende lästerst (Brown nennt das den „Tresor”: Was du mir erzählst, bleibt bei mir).

Vertrauen heißt: Du tust, was du sagst. Du bist verläss­lich – gerade dann, wenn keiner hinsieht.

Wir führen keine Maschinen. Wir führen Menschen.

Und Menschen haben Ängste, Hoff­nun­gen und ein Herz. Ein muti­ger Leader zu sein bedeu­tet nicht, keine Angst zu haben. Es bedeu­tet, die Angst zu spüren und den Schritt trotz­dem zu machen.

Leg die Rüstung ab. Die Menschen um dich herum warten nicht auf Perfek­tion. Sie warten auf dich.

Das Buch

Brown, Brené: Führung wagen: Mutig arbei­ten. Über­zeu­gend kommu­ni­zie­ren. Mit ganzem Herzen dabei sein. Der New-York-Times-Best­sel­ler für Führungskräfte​

Orig.: Brown, Brené: Dare to Lead: Brave Work. Tough Conver­sa­ti­ons. Whole Hearts.